Tondichtung zur Skulptur in Mittweida

Die leise, rhythmisch prägnante Melodie zu Beginn ist kein gewöhnlicher Klang des Parks in Mittweida – sie ist wie ein einzelner Vogelruf, plötzlich und unvermittelt. Sie scheint nicht Teil des Geschehens zu sein, sondern darüber zu stehen – wie ein Beobachter, der das Bild von außen wahrnimmt. Ihr Rhythmus ist unregelmäßig, fast suchend – als würde der Vogel von oben auf die Szene blicken, mit wachen Augen und innerer Unruhe. Vielleicht ist es ein Ruf aus einer anderen Welt.
Im Crescendo formt sich aus der Stille allmählich ein komplexeres Bild – wie ein Blick, der erste Konturen erkennt, das Unfassbare und Fragmentarische erfasst. Vielleicht symbolisiert die Musik nun auch das Innenleben der Figur oder die Gedankenwelt, die die Skulptur repräsentiert.
Im Tutti entfaltet sich die ganze Wucht des Bildes – das Nebeneinander von Abstraktion und Leben, Vergangenheit und Gegenwart, Natur und Kunst. Hier klingt die Skulptur selbst auf, in massiven Klangblöcken, die sich verschränken wie ihre Formen.
Nach diesem Höhepunkt bricht die Musik langsam wieder ab, als würde man sich zurückziehen, hinein in die Ruhe des kleinen Parks in Mittweida. Am Ende kehrt das ursprüngliche Thema wieder – wie der ferne Ruf des Vogels, nun verändert und gereift, zurück – eine leise Erinnerung an das, was war, und ein letzter Blick aus der Höhe auf eine Szenerie, die in Stille versinkt.
Musik und Kunst in Verbindung sind die Flügel der Seele, die uns über das Alltägliche hinausheben und uns die tiefsten Wahrheiten des Lebens offenbaren.

Johannes Güdelhöfer studiert im Konzertexamen in der Orgelklasse von Prof. Martin Schmeding und Prof. Thomas Lennartz an der Hochschule für Musik und Theater „Felix Mendelssohn Bartholdy“ Leipzig. Er ist Preisträger internationaler Orgelwettbewerbe, war Stipendiat des Cusanuswerks, belegte etliche Meisterkurse und absolvierte ein Auslandsstudium an der Rice University in Houston, USA. Ab September übernimmt er die Stelle des Organisten und Chorleiters an St. Lambertus in Düsseldorf.